Liebe Freunde, Verwandte, Bekannte und Interessierte,

nun kläre ich euch mal darüber auf, warum in der Internetadresse meines Blogs „klarakeller“ steht! Der folgende Text stammt großteils aus meinem ersten Quartalsbericht, den ich im Oktober für den BDKJ Bamberg verfasst habe.

Wenn ich jetzt durch das Internat laufe, begegnen mir lächelnde Gesichter und ich werde mit „Hola, Clarita!“ oder „Buen dia, Clara!“ begrüßt?. In Deutschland habe ich noch gedacht, was das für eine große Herausforderung sein wird, auf meinen zweiten Namen zu hören, aber ich habe mich erstaunlich schnell daran gewöhnt. Für die Menschen hier wäre es komisch und teilweise unheimlich, mich „Alma“ zu rufen, was auf Spanisch ja „Seele“ bedeutet und für manche mit „Geist“ gleichgesetzt ist. Deswegen bin ich über die Lösung mit meinem zweiten Vornamen ganz glücklich, der ja auch ein Teil von mir ist und zu oft vergessen wurde bis jetzt. Trotzdem freue ich mich auch darüber, von Johanna, Schwester Verena und den anderen zwei Freiwilligen im Centro Cultural ab und zu „Alma“ genannt zu werden.

In Cochabamba konnten wir erfolgreich unsere Visa abholen und vieles anschauen, wie zum Beispiel den Nationalpark Pairumani und die Cancha, einen riesigen Markt, auf dem es wirklich alles gibt. Nach mindestens 5-10 Mal

Nationalpark Pairumani

Fragen findet man immer das, was man sucht. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, die Orientierung behalten zu wollen, da man sich leicht in den ellenlangen Fluren und Gängen verläuft. Noch dazu gibt es immer ein ganzes Marktabteil voller Gemüse, Kochutensilien, Klamotten oder Spielzeug etc., was die Orientierung erschwert. Am Anfang habe ich mich gefragt, ob das nicht schlecht für das Geschäft ist, wenn 10 Stände nebeneinander das exakt gleiche verkaufen, aber langsam finde ich, dass das natürlich Sinn macht, wenn z.B. alle Klamotten an einem Ort sind.
Aber keine Sorge, aus der Cancha findet man immer nach draußen und egal, wo man dann landet, mit sogenannten Trufis, Kleinbussen, kommt man wieder überall hin. Das öffentliche Verkehrssystem ist sehr ausgeklügelt und was ich besonders schätze, dass ich mich nicht mit Busfahrplänen rumschlagen muss. Die unzähligen Trufis und Micros fahren immer ihre gleiche Strecke ab und wenn man einsteigen will, muss man nur die Hand heben. Selbst in den abgelegensten Gegenden kommt regelmäßig ein Kleinbus vorbei. Auch beim Ausssteigen – Voy a bajar! = Ich werde aussteigen! – braucht man sich nicht auf die wenigen Haltestellen beschränken. Diese unkomplizierte, praktische und auch sinnvolle Weise, Bus zu fahren, taugt mir sehr! Ganz zu schweigen von den kaum nennenswerten Fahrtkosten: eine Fahrt mit dem Trufi kostet höchstens bis zu 2,50 Bolivianos, also gute 30 Cent.

Durch unsere recht große Whatsappgruppe aller Freiwilligen in Cochabamba (an die 70 Teilnehmer!) bekommen wir immer viele Infos über Benefizkonzerte, Kochabende, Ausflüge und ein „Sprach-Tandem-Treffen“ jeden Dienstagabend in einer Bar, das von einer Sprachschule angeboten wird. Hier wurde unser Spanisch ziemlich auf die Probe gestellt und ich würde behaupten, wir haben uns gut geschlagen. Ich habe dort einen Schauspieler kennengelernt, der, möglicherweise in Inde in Kooperation mit dem Centro Cultural einen Theater/Improvisationskurs anbieten wird. Mal schauen, ob das klappt.

Ein Erlebnis in Cochabamba, das mich persönlich sehr gefreut hat (Frage für den Quartalsbericht!), war die Begegnung mit einer Frau namens Milenka, die aus einem 3-Monate-Deutschland-Besuch bei ihrer Schwester zurückkam und mich interessiert ansprach. Wir verwickelten uns in ein sehr gutes Gespräch (ich war ganz erstaunt, wie lange und gut ich mich mit meinen damaligen Spanisch-Kenntnissen unterhalten konnte), das wir bei einem Mittagessen bei ihr zu Hause weiterführten. Diese spontane Gastfreundschaft hat mich sehr beeindruckt.

Es ist schon ein großer Unterschied zu Deutschland, wie hier Ausländern (extranjeros) begegnet wird – und damit auch uns. Sie sind beliebt und interessant, bringen Geld (vor allem haben sie eigentlich immer viel Geld) und werden sehr freundlich behandelt. Naja, außer von den Dieben – aber auch Einheimische werden von diesen nicht verschont! Wir wurden schon sehr oft von allen möglichen Deutschen und Bolivianern vor Diebstahl und Überfall gewarnt. „Sie reißen einem Ohrringe raus, die Kette vom Hals; auch wenn du dein Geld im BH hast, wenn du es rausholst, wird es dir weggerissen…“ Bis jetzt ist uns nichts passiert und deswegen finden wir die vielen Warnungen noch etwas übertrieben. Wir passen aber sehr gut auf und auf die Cancha nehmen wir keine Kreditkarte, Foto, Kette und weniger Geld mit.

Im Anden-Gebirge

So, nun aber genug über Cochabamba. Die vielen Unternehmungen und Begegnungen mit Einheimischen dort haben mir gut gefallen, dennoch war ich froh, als wir bei unserer zweiten Fahrt (28.9) nach Independencia wussten, dass wir auf erstmal unbestimmte Zeit dort bleiben würden. Diese Fahrt waren wir schon wesentlich entspannter als beim ersten Mal; trotzdem war sie wieder ein einmaliges Erlebnis, da es viele verschiedene Wege nach Independencia gibt.

Wir leben uns immer mehr im Internat und unserer Arbeit ein und lernen so langsam die Namen der ca. 100 Internatsmädchen und -jungen. Die Kinder haben meiner Auffassung nach sehr viel zu tun -Hausaufgaben, Küchenarbeiten, Putzen – und meistens sehen wir uns nur am Abend beim Volleyball- oder Basketballspielen auf der Cancha, einem internen Sportplatz mit einem unglaublich tollen Bergpanorama. Und natürlich beim Brotbacken zweimal die Woche (ca. 600 kleine Brötchen werden immer gebacken!) und am Samstag beim Häkeln auf der Wiese. Am Wochenende haben sie zum Glück mehr Freizeit und wenn ich mit Jojo, Martin (Freiwilliger im Centro Cultural) oder Hannah (Freiwillige aus Cochabamba) wandern gehe, nehmen wir immer ein paar Mädchen mit. Auch Blumenkarten, für die sie ausnahmsweise mal Blumen pflücken dürfen, machen sie sehr gerne mit mir.

Panaderia – Bäckerei im Centro Social

An was ich mich nun auch gewöhnt habe, ist das Wäschewaschen. Es dauert schon seine Zeit; man überlegt sich also zweimal, was unbedingt in die Wäsche muss, aber es tut mir auch mal gut. Zur Zeit regnet es immer mehr und da wir unsere Wäsche draußen aufhängen, wird das Wäschewaschen gern mal aufgeschoben – irgendwann kann man es aber nicht mehr aufschieben und dann braucht sie halt etwas länger zum Trocknen. Für mich ist es ungewohnt, dass es hier in der Sommerzeit/Regenzeit oft eher kühler als im „Winter“ ist. Als ich im Winter Ende August mit meinen Winterjacken im Gepäck von einem sehr warmen, sonnigen Cochabamba empfangen wurde, hab ich mich gefragt, ob ich die wohl noch brauchen werde. Vielleicht packe ich sie im kommenden Sommer mal aus!

Die Arbeit im Kindergarten macht mir großen Spaß, ist aber auch sehr anstrengend, da die Kinder sehr viel Energie haben. Sehr schön, dass die Kinder auch im Sandkasten spielen können und sich „dreckig machen dürfen“. Das habe ich früher im Waldkindergarten auch sehr gerne getan. Besonders der „Wandertag“ in die Natur zur Feier des Jahrestages (41 Jahre) hat mich so sehr an meine Kindergartenzeit erinnert und ich habe mit den Kindern aus Stöcken, Kiefernadeln, Kiefernzapfen und tw. Müll Häuschen und Heuhaufen gebaut – da hatten die Kinder einen Spaß daran! Ich hoffe sehr, dass wir nochmal so einen Ausflug in die Natur machen und ich habe auch schon einen anderen wunderbaren Platz zum Spielen entdeckt (beim Zoologischen Garten des Centro Culturals in der Nähe, den uns Martin gezeigt hat).

Download: Kiefernadel-Schlacht

 

Ansonsten helfe ich beim „Unterricht“ im Kindergarten mit, dass die Kinder ihre Hefte und Stifte haben und ihre Aufgaben oder Bastelsachen erledigen, was bei manchen Kindern wirklich viel Geduld braucht. Aber ich kann diese Kinder auch verstehen – nicht jeder hat einen Spaß daran, eine Cholita, eine Bolivianerin in traditioneller Kleidung in vorgegebenen Farben auszumalen oder einen Baum mit Krepppapier-Kügelchen auszufüllen… Ich wünschte mir manchmal, dass die Kreativität der Kinder mehr gefordert und gefördert würde.

Mit Kindern basteln und spielen dürfen wir auch in der Puerta Abierta, einer „Offenen Türe“ für Kinder und Jugendliche. Sie ist nachmittags und abends geöffnet und meine Mitfreiwillige und ich gehen beide je einmal am Tag hin, wenn wir nicht beim Brotbacken im Centro mithelfen.
An einem Abend vor ein paar Tagen haben wir die Tischtennisplatte dort zum ersten Mal seit wahrscheinlich längerer Zeit – dem Staub darauf nach gemessen – wieder provisorisch in Betrieb gesetzt. Es war ein unbeschreiblicher Moment, als ich mit einem 8-jährigen kleinen Mädchen draußen bei Handytaschenlampenlicht Tischtennis gespielt habe. Sie hatte so eine Freude daran, obwohl wir die meiste Zeit mehr damit beschäftigt waren, den Ball zu suchen und zu versuchen, dabei nicht nass zu werden. Auf das Wellblechvordach über uns prasselten nämlich gefühlte Badewannen Wasser, weswegen wir uns nur mit Gesten und Zeichen verständigen konnten. Manchmal versteht man sich aber auch einfach ohne Worte – oder mit einem Lächeln. Es ist wirklich schön, dass nun einige Kinder mehr in die Puerta Abierta kommen, weil sie Tischtennis spielen wollen!

Ich genieße es sehr, mich in meiner freien Zeit Dingen widmen zu können, für die ich zu Hause keine Zeit hatte. Zum Beispiel haben wir häkeln gelernt und da kann ich schwer aufhören, wenn ich mal angefangen habe. Es ist auch eine gute Beschäftigung für nachts, wenn man aufgrund von lauter Hochzeitsfeiermusik, die bis spät in die Nacht dauert und die das ganze Dorf beschallt, nicht schlafen kann. Im Moment gibt am Wochenende öfters Hochzeiten, da im ungeraden Jahr 2019 nicht gerne geheiratet wird. Auch im August und an Freitagen sollte man nicht heiraten!

Mein erster gehäkelter Topflappen kam auch schon ein paarmal zum Einsatz – ich werde ihn nicht verschenken, er ist zu löchrig und man kann sich verbrennen…. Obwohl wir sehr leckeres und vor allem sehr vegetarisches Essen mit viel Salat bekommen, haben wir beschlossen, unsere kleine Küche nicht verstauben zu lassen. Zwar etwas provisorisch ohne Messbecher und Gradanzeige am Ofen – die Zimtschnecken sind aber trotzdem gelungen. In Deutschland würde ich nicht freiwillig auf diese Dinge verzichten, doch nun lerne ich, dass es gar nicht immer so viel an Hilfen und Extras beim Backen und Kochen braucht, wenn man einfach mal seinen gesunden Menschenverstand gebraucht.

Auch machen Jojo und ich sehr viel Sport (Joggen und Workout), wozu mich Jojos Motivation gebracht hat. Wer hätte das gedacht, dass ich auf 2700 Meter Höhe mehr Sport mache als in Deutschland! Mit der Höhe habe ich keine Probleme – ich war noch nicht einmal krank, höchstens mal müde oder erschöpft. Wir würden gerne einen 5000 oder 6000 Meter hohen Berg besteigen und müssen deswegen unsere Fitness trainieren. Mal schauen, wie lange wir noch so motiviert sind…

Ich habe angefangen, mit der kleinen Gitarre (Guitarlele) zu üben, die beim Hinflug tatsächlich noch in meinen Koffer gepasst hat. Außerdem gibt es hier viele Spanisch-Lernbücher, die meine Babbel-App gut ergänzen. Da ich momentan aber gut mit meinem derzeitigen Spanisch-Wissen auskomme, habe ich gar nicht das Bedürfnis so viel zu lernen. Ich merke es gar nicht so bewusst, wie ich immer mehr verstehen kann, aber zum Beispiel beim Tischgespräch verstehe ich viel mehr wie am Anfang, wie mir letztens aufgefallen ist. Mir wird also wirklich nicht langweilig.

Mit Hermana Juana, unserer “Chefin“, verstehen wir uns sehr gut. Ihren Humor, ihre Aufmerksamkeit und ihr Feingefühl mag ich besonders. Einmal wollte sie mir weismachen, dass ich Läuse habe, was aufgrund des vielen Haarkontakts mit den Kindern gar nicht so abwegig ist und ich ihr deswegen fast abgenommen habe. Im Endeffekt mussten wir – ich sehr erleichtert, sie amüsiert über mein Gesicht – ziemlich lachen. Manchmal erkundigt sie sich, ob wir weinen mussten wegen Heimweh und so, aber das war bei mir noch nie der Fall. Es gibt schon Momente, in denen ich gerne mal wieder bei meiner Familie wäre, aber die gehen schnell vorüber. Auch Hermana Anamaria und Hermana Eulalia sind sehr nett. Mit Johanna und dem gemeinsamen Zimmer komme ich überraschend gut klar. Wir achten darauf, uns gegenseitig Zeit alleine zu geben, gehen z.B. extra nicht zusammen joggen. Ich finde es sehr gut und wichtig, dass ich mich mit ihr über unsere Situation und Arbeit austauschen kann.

In den kommenden Monaten wird es eine neue Herausforderung sein, sich nicht von dem vielen Regen in eine Tatenlosigkeit und Melancholie ziehen zu lassen. Das Wetter beeinflusst meine Stimmung und Motivation schon ziemlich. Im Moment bin ich gefühlt die ganze Zeit am Schreiben: E-Mails, Quartalsbericht, Blog, ein Zeitungsartikel für das Heinrichsblatt und vor allem Tagebuch. Ich hab schon das erste voll. Zu Hause hab ich mir dafür nie die Zeit genommen, aber hier mache ich das ganz gern, weil es eine schöne Reflexion vom Tag ist. Ansonsten bin ich sehr gespannt auf Allerheiligen, Todos Santos, wo uns Hannah, eine BDKJ-Freiwillige aus Cochabamba, besuchen wird. Ich freue mich auch auf die nächste Zeit im Kindergarten, die schon langsam auf das bolivianische Schuljahresende zugeht.

Hasta luego!

Alma alias „Clarita“